Die durch COVID verursachte wirtschaftliche Disruption war in vielerlei Hinsicht ein bis dahin nicht erlebter ökonomischer Schock. Die schärfste Rezession seit dem 2. Weltkrieg in Q2/2020 (-13,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal 2019) weckte Befürchtungen eines dramatischen Rückgangs in der Unternehmensliquidität und darauf folgenden Zahlungsausfällen – vor allem in den von Lockdowns besonders betroffenen Branchen, die traditionell über sehr geringe Eigenkapitalquoten verfügen und von daher besonders anfällig für externe Schocks waren.
Was auf den COVID-Schock tatsächlich folgte war das Gegenteil: Befürchtete rapide Anstiege in den Insolvenzquoten blieben aus, im Gegenteil: Die Insolvenzen des Jahres 2020 lagen um 40 Prozent unter dem Jahr 2019 – einer Periode, die noch von robustem Wachstum gekennzeichnet war.
Zentral dafür verantwortlich sind die massiven staatlichen Stützungen, die einerseits umfassend Liquidität bereitstellen und sichern, und andererseits die Beantragung von Insolvenzen selbst verhinderten (Finanzämter, Sozialversicherungen).
Kernelement der Maßnahmen waren die unterschiedlichen Varianten der Kurzarbeitsregelungen, die viele Arbeitnehmer in Beschäftigung hielten, Einkommensverluste verringerten und somit unter anderem den Privatkonsum nachhaltig stabilisierten.
Daneben wurden EUR 2 Mrd als nicht rückzahlbare Soforthilfe für EPUs und Kleinstbetriebe zur Verfügung gestellt. Für KMUs und Großunternehmen wurde der Corona-Hilfsfonds eingerichtet, staatliche Garantien und nicht rückzahlbare Zuschüsse verteilt. Ergänzt wurden diese Maßnahmen durch Überbrückungsgarantien/Direktkredite der Förderstellen (aws, OeKB, ÖHT).
Neben der direkten Liquiditätszufuhr wurden auch die Liquiditätserfordernisse gesenkt. Steuerherabsetzungen und -Stundungen und Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge komplettierten Maßnahmen, die sich allein 2020 auf rund EUR 40 Mrd beliefen.
Der unmittelbare Erfolg der Maßnahmen spricht für sich – 3.034 Insolvenzen 2020 (2019: 5.018, was dem langjährigen Durchschnitt entspricht), deutlich weniger Probleme in der Liquiditätsbereitstellung und bei Wertberichtigungen durch Banken, und ein robuster Aufschwung, der – ausgehend vom industriellen Sektor – 2021 für eine deutliche Wachstums- und Beschäftigungszunahme sorgte (Wachstumsprognose IHS für
Österreich 2021: +4,3 Prozent).
Es wäre jedoch verfrüht, die aktuelle Datenlage als offizielles Ende möglicher Pandemie-Folgen und anderer dämpfender makroökonomischer Risikofaktoren zu sehen. In einer rezenten Publikation verweist Creditreform auf eine Analyse des TU-Wien-Professors Walter Schwaiger, die den „Verhinderungseffekt“ untersucht – also jene Insolvenzen, die explizit durch die staatlichen Maßnahmen verhindert wurden. Diese werden der Studie zufolge mit 0,68 Prozent der untersuchten Unternehmen beziffert. Umgerechnet auf die Gesamtzahl der österreichischen Unternehmen bedeutet dies, dass 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet wären, würden die staatlichen Stützungsmaßnahmen zurückgefahren werden. Mittelfristig ist jedenfalls mit einem Anstieg auf das in den letzten Jahren durchschnittliche Niveau von 5.000 Verfahren pro Jahr zu rechnen – Folgeeffekte der scharfen Rezession 2020 finden dabei noch gar keine Berücksichtigung.
Trotz des verhältnismäßig starken Aufschwungs ist deshalb für jedes Unternehmen zu prüfen, inwieweit diese „Aufholeffekte“, bzw das Zurückfahren staatlicher Maßnahmen, Risikofaktoren darstellen, welcher in der Liquiditätsplanung einerseits und in der Risikovorsorge andererseits berücksichtigt werden müssen.
Für ein „die Krise ist vorüber“ und ein Einstellen sämtlicher kaufmännischer Vorsichtsmaßnahmen ist es definitiv noch zu früh. Wichtig ist jedoch auch, das gesamte Spektrum aktueller Unternehmensrisiken in die Projektionen mit aufzunehmen: die nach wie vor signifikanten Disruptionen in den Lieferketten genauso wie die scharf ansteigenden Energiepreise und die Herausforderungen im Bereich der Auswirkungen der ökosozialen Steuerreform, insbesondere die zukünftige Kostenbelastung durch CO2-Bepreisung sowie die massiven Verteuerungen von CO2-Zertifikaten in bereits bislang zertifikatspflichtigen Sektoren.
Ein transparentes Bild des Status quo und eine integrierte Risikoperspektive sind der Schlüssel, um in diesen unsicheren Gewässern bestmöglich wirtschaftlich zu navigieren.