Im Mai 2021 hat der deutsche Bundesrat das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (abgekürzt FISG) verabschiedet, das als Reaktion auf den Wirecard-Skandal verschiedene Maßnahmen in den Bereichen Corporate Governance von Unternehmen, Abschlussprüfung und Enforcement-Verfahren vorsieht, wobei das Gesetz mit 1. Juli 2021 bereits in Kraft getreten und teils bereits anzuwenden ist. Das primäre Ziel des FISG stellt dar, das gegenwärtige System der Bilanzkontrolle in Deutschland zu verbessern.
Nachdem der Wirecard-Skandal zu signifikanten Turbulenzen im deutschen Finanzmarkt geführt hat, hat der deutsche Gesetzgeber das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) verabschiedet. Das Gesetz ist als Reaktion auf die Turbulenzen rund um Wirecard zu verstehen und beinhaltet eine Vielzahl an Neuerungen, die auf eine Stärkung der Finanzmarktintegrität abzielen und damit das durch Wirecard erschütterte Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt wiederherstellen sollen. Im vorliegenden Artikel erfolgt ein Überblick über die wesentlichen Neuerungen durch das FISG.
Neuerungen im Bereich Corporate Governance
Einerseits wurde durch das FISG für börsennotierte Gesellschaften (klarstellend) die Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems explizit kodifiziert.
Anderseits wurden mit dem FISG auch Neuerungen in Bezug auf Prüfungsausschüsse beschlossen:
Für Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) ist die Einrichtung von Prüfungsausschüssen künftig in allen Fällen verpflichtend, zudem haben diesen künftig zwei Finanzexperten – jeweils ein Experte für die Bereiche Rechnungslegung und Abschlussprüfung – anzugehören. Das FISG sieht unter anderem auch eine Ausweitung der Befugnisse und Klarstellungen in Bezug auf die Überwachungstätigkeiten des Prüfungsausschusses vor. Um die vertrauliche Kommunikation zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer sicherzustellen, stellt das FISG darüber hinaus klar, dass der Vorstand nicht an Sitzungen des Aufsichtsrats teilnimmt, in denen Themen der Abschlussprüfung zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer besprochen werden, es sei denn der Aufsichtsrat hält die Teilnahme des Vorstandes für erforderlich.
Neuerungen im Bereich Abschlussprüfung
Mit dem FISG wurden die seinerzeit im Rahmen der Umsetzung der „Abschlussprüferverordnung“ (AP-VO) in Deutschland genutzten Möglichkeiten zugunsten der Abschlussprüfer für die Prüfung von Unternehmen öffentlichen Interesses wieder weitgehend gestrichen und teilweise zusätzliche Verschärfungen vorgesehen.
Im Bereich der externen Rotation wird die Verlängerungsmöglichkeit von Prüfungsmandaten auf 20 bzw 24 Jahre wieder aufgehoben und die Höchstlaufzeit auf zehn Jahre beschränkt. Die Frist für die interne Rotation wird zudem verschärfend von sieben auf fünf Jahre reduziert. Außerdem wurde durch das FISG beschlossen, dass die Erbringung von Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen für PIEs durch den Abschlussprüfer künftig nicht mehr zulässig ist. Bei Verstößen des Abschlussprüfers gegen das Verbot der Erbringung von Nichtprüfungsleistungen sieht das FISG, abhängig von der Art des Verstoßes, die gerichtliche Ersetzung des Abschlussprüfers vor. Nicht zuletzt führt das FISG zudem zu einer Erhöhung der Haftungshöchstsumme des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen und zu einer Verschärfung der ordnungswidrigkeits- und straf- sowie berufsaufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Ahndung von Verstößen des Abschlussprüfers.
Neuerungen im Bereich Enforcement-Verfahren
Bislang war das Enforcement-Verfahren in Deutschland (analog zu Österreich) zweistufig aufgebaut, mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) auf der ersten und der BaFin auf der zweiten Prüfungsstufe. Mit dem FISG erfolgte nun eine Überführung in ein einstufiges Verfahren, das in der alleinigen Verantwortung der BaFin liegt. Es wurden zudem die Befugnisse der BaFin ausgeweitet, damit diese künftig frühzeitiger und umfassender Themen identifizieren kann und die Bekanntmachung von Fehlerfeststellungen beschleunigt wird.
Würdigung aus österreichischer Sicht
Die Maßnahmen in Deutschland sind wohl als Anlassgesetzgebung zu qualifizieren, die aus einem gewissen Druck von politischer Seite zu Veränderung resultierten. Eine Kausalität zwischen den Ursachen von Wirecard und diesen getroffenen Maßnahmen ist nicht ersichtlich, auch wenn die Aufarbeitung noch im Laufen ist. Ob sich für die österreichischen bzw europäischen Rahmenbedingungen und möglichen nächsten Entwicklungsschritte aus dem FISG Lehren ziehen bzw Ideen gewinnen lassen, wird noch Gegenstand künftiger Regulierungsdebatten sein, die bereits von Seiten der Europäischen Union (vgl Rede von EU-Kommissarin McGuinness am 27. Mai 20211) angekündigt wurden. Andererseits sind einige der Maßnahmen, die in Deutschland nun mit dem FISG vorgesehen werden, in Österreich schon jetzt geltendes Recht.
1 Vgl Speech at the European Policy Centre: Corporate reporting in the Capital Markets Union after Wirecard | European Commission (europa.eu), https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2019-024/mcguinness/announcements/speech-european-policy-centre-corporate-reporting-capital-markets-union-after-wirecard_en