Die Erhebung von Körperschaftsteuern bleibt grundsätzlich den jeweiligen Staaten vorbehalten. Dementsprechend war der internationale Harmonisierungsdruck lange Jahre überschaubar. Durch international kaum abgestimmte Steuersysteme taten sich Lücken auf, die von einigen multinationalen Konzernen zur Steueroptimierung durch Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz: „BEPS“) genutzt wurden. Mehr und mehr Staaten sahen sich gezwungen, politisch unerwünschte Steuerpraktiken zu bekämpfen.
Mit der Veröffentlichung der Abschlussberichte zu den 15 BEPS-Actions im Oktober 2015 wurde eine erste relevante internationale Initiative gesetzt. Konkret fußen etwa die Hinzurechnungsbesteuerung von Passiveinkünften niedrigbesteuerter Körperschaften (§ 10a KStG), die Zinsschranke (§ 12a KStG), das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) sowie einige Änderungen österreichischer Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf dem BEPS-Projekt.
Nunmehr steht ein nächster großer Schritt bevor. Anfang Oktober 2020 haben sich 136 Staaten im Rahmen des sogenannten „Inclusive Framework“ verständigt, das BEPS-Projekt fortzusetzen („BEPS 2.0“), indem Besteuerungsrechte an den Gewinnen von Großkonzernen („Pillar One“) neu aufgeteilt werden sowie eine globale Mindestbesteuerung („Pillar Two“) eingeführt wird. Zurzeit werden die notwendigen multilateralen Abkommen, Instrumente und Gesetzesmuster von der OECD ausgearbeitet und demnächst zur Diskussion gestellt werden. Der Zeitdruck ist enorm – Pillar One und Pillar Two sollen ab 2023 wirksam werden.
Pillar One: Neuaufteilung der Besteuerungsrechte
Die erste Säule hatte zunächst die Digital Economy im Fokus, denn eine wesentliche Herausforderung des internationalen Steuerrechts besteht darin, dass die althergebrachten Besteuerungskonzepte nur bedingt oder gar nicht auf neue, digitale Geschäftsmodelle ansprechen. Insbesondere wurde die übliche Anknüpfung an physische Betriebsstätten dadurch konterkariert, dass die Digitalisierung eine physische Präsenz in den jeweiligen Marktstaaten an sich obsolet machte. Dies führte zunächst zu der Überlegung, künftig „digitale“ bzw „virtuelle“ Betriebsstätten steuerrechtlich zu fingieren, um den Marktstaaten Besteuerungsrechte zukommen zu lassen. Durchsetzen dürfte sich aus heutiger Sicht stattdessen aber eine formelhafte Gewinnaufteilung, welche den Marktstaaten einen rechnerisch ermittelten Anteil am Gesamtgewinn von Konzernen mit einem globalen Jahresumsatz von über EUR 20 Mrd zuordnet. Konkret soll dabei ein Teil (nämlich ein Viertel) des Übergewinns hochprofitabler Konzerne (Gewinnmarge > 10 Prozent) unabhängig von deren physischer Präsenz an die Marktstaaten (Jahresumsatz ≥ EUR 1 Mio bzw EUR 0,25 Mio bei kleineren Volkswirtschaften) als sogenannter „Amount A“ verteilt werden. Politisch konsensfähig wurde dieses Paket erst, als die USA den Fokus auf die Digital Economy wegverhandeln konnten. Stattdessen sollen nur mehr die allergrößten Konzerne weltweit („magic 100“), dies dafür branchenunabhängig, von Pillar One erfasst werden.
Pillar Two: Globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent
Bei der zweiten Säule stand die grundlegende Systematik hingegen recht schnell außer Streit. Konkret soll damit eine globale Mindestbesteuerung insbesondere dadurch erreicht werden, dass die teilnehmenden Staaten zwei miteinander verschränkte „Global Anti-Base Erosion Rules“ (kurz: „GloBE“) implementieren. Demnach soll primär eine globale Mindestbesteuerung durch Hochschleusen niedrigbesteuerter Einkünfte auf Ebene der obersten Muttergesellschaft gewährleistet werden (Income Inclusion Rule). Subsidiär soll die Mindestbesteuerung dadurch erreicht werden, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit im Quellenstaat entsprechend eingeschränkt wird (Undertaxed Payment Rule). Ergänzt wird dieser beidseitige GloBE-Mechanismus durch ein neues Quellenbesteuerungsrecht (Subject to Tax Rule). Im Kern der politischen Auseinandersetzung stand lange Zeit das global relevante Mindestbesteuerungsniveau, das nunmehr mit 15 Prozent festgesetzt wurde.
Ausblick für Österreich
Grundsätzlich peilt das Inclusive Framework eine Implementierung des Zweisäulensystems bereits ab 2023 an. Für Österreich ist dieses höchst ambitionierte System differenziert zu betrachten. Denn auf der einen Seite ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass Pillar One Österreich als Marktstaat ein (wenn auch überschaubares) zusätzliches Steueraufkommen ausländischer Konzerne bescheren wird. Österreichische Konzerne werden hingegen vorerst nicht betroffen sein, ist doch für die Anwendung von Pillar One zunächst ein weltweiter Konzernumsatz von mehr als EUR 20 Mrd pa vorgesehen. Erst nach sieben Jahren könnte dieser Schwellenwert auf EUR 10 Mrd halbiert werden, sodass dann einige wenige österreichische Konzerne von Pillar One erfasst werden könnten.
Pillar Two soll hingegen an die vom Country-by-Country Reporting bereits bekannte EUR 750 Mio Umsatzgrenze anknüpfen. Dementsprechend zeichnet sich hier eine deutlich höhere Relevanz für Großunternehmen und Konzerne mit Sitz in Österreich ab. Insbesondere österreichische Headquarter-Unternehmen, die über Tochtergesellschaften zB in bestimmten osteuropäischen Staaten (etwa Ungarn, Bulgarien, Nordmazedonien) tätig sind oder steuerliche Begünstigungen in ausländischen Sonderwirtschaftszonen in Anspruch nehmen, könnten von der globalen Mindeststeuer betroffen sein und eine Zusatzsteuer in Höhe der Differenz zwischen der niedrigen ausländischen Steuerbelastung und dem Mindestbesteuerungsniveau von 15 Prozent in Österreich abführen müssen. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass einige ausländische Staaten gegensteuern werden und den anwendbaren Körperschaftsteuersatz auf 15 Prozent erhöhen werden.
Inhaltlich wird Pillar Two das österreichische Steuerrecht nicht revolutionieren, da bereits vergleichbare Regelungen in § 10a KStG (Hinzurechnungsbesteuerung) bzw in § 12 Abs 1 Z 10 KStG (Nichtabzugsfähigkeit niedrig besteuerter Konzernzinsen/-lizenzen) existieren. Bei der Umsetzung muss insbesondere darauf geachtet werden, dass der zusätzliche Verwaltungsaufwand für die betroffenen österreichischen Konzerne minimiert wird. Wir werden den Gesetzwerdungsprozess auf fachlicher Ebene in gewohnter Weise unterstützen und uns dafür einsetzen, dass die Interessen österreichischer Konzerne berücksichtigt werden.