Das öffentliche Gesundheitswesen muss sich verändern. Steigende Kosten, informierte Patienten, die ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen, und immer mehr innovative Dienstleistungen und Produkte am Markt fordern eine digitale Transformation. Das Gesundheitswesen der Zukunft ist vernetzt und intelligent und bietet die richtige Vorsorge und Versorgung im richtigen Rahmen zur richtigen Zeit.

In Österreich muss eine langfristige Strategie entwickelt werden, um die öffentliche Gesundheitsversorgung nachhaltig und unter Nutzung von Kostenpotenzialen sicherzustellen. Denn die Gesundheitsausgaben pro Kopf steigen in Europa und weltweit an. Österreich liegt mit EUR 3.966 pro Kopf im Jahr 2019 um mehr als 50 Prozent über dem EU-Durchschnitt (EUR 2.572). Und die Kosten steigen kontinuierlich – von 2013 bis 2019 jährlich inflationsbereinigt um 1,1 Prozent.1 Für das Jahr 2020 werden laufende Gesundheitsausgaben (exkl Investitionen) in Höhe von rund EUR 43 Mrd geschätzt2, 3, was 11,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Den größten Anteil mit 76,4 Prozent verbuchen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger. Durch Digitalisierung hätten im Jahr 2019 Kosten in Höhe von EUR 4,7 Mrd eingespart werden können.4 Drei Trends werden den digitalen Gesundheitsmarkt in den kommenden Jahren beherrschen: Interoperabilität und Vernetzung, datenbasierte Entscheidungen und Patientenzentrierung.

Interoperabilität & Vernetzung

Durch die wachsenden Möglichkeiten zum Datenaustausch, sowohl innerhalb einer Organisation als auch nach außen, können die Prozesse bzw die Versorgungspfade für die Patienten in Summe effizienter gestaltet werden. Insbesondere in Hinblick auf die derzeitige Pandemielage ist in gewissen medizinischen Teilbereichen (zB Radiologie) eine Diagnosestellung – unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben – bereits aus dem Homeoffice möglich. Diese Entwicklungen zeigen auch die Ergebnisse der Studie

„2021 Healthcare CEO Future Pulse“. 97 Prozent der befragten CEOs geben an, dass die Pandemie ihre Transformationsagenda beschleunigt habe. Ein Großteil (68 Prozent) der Befragten berichtete, dass insbesondere Transformationen im Bereich digitaler Leistungserbringungsmodelle stattfinden werden. Durch die Verwendung internationaler Standards (speziell IHE und HL7) lässt sich der Datenaustausch zwischen den Systemen standardisieren. Die Harmonisierung medizinischer Kernsysteme (zB Krankenhausinformationssysteme KIS, Laborinformationssysteme LIS etc) ist ein wesentlicher Faktor, um die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen leistungserbringenden Stellen zu vereinfachen.

Datenbasierte Entscheidungen

Im öffentlichen Gesundheitswesen werden immer mehr Daten erhoben und genutzt. Diese sollen in Zukunft computerunterstützt, leistungserbringerübergreifend und im Austausch mit Patienten genutzt werden. Das große Ziel dabei: datengestützt präventiv die Gesundheit zu erhalten, Versorgungspfade zu optimieren, datenbasiert und weitgehend automatisiert die richtigen Leistungen zur Verfügung zu stellen und die klinische Medizin zu verbessern. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz können Muster in den Daten erkannt werden und mit Hilfe von Warnsignalen kann klinisches Personal unmittelbar auf Auffälligkeiten hingewiesen werden. Repetitive regelbasierte Aufgaben können dabei automatisiert werden, womit wiederum mehr Zeit für die Versorgung von Patienten einhergeht. Die zentrale Herausforderung: Daten im Rahmen (datenschutz)rechtlicher Möglichkeiten und im Sinne der Kunden technologisch nutzbar zu machen.

Ergebniszentrierung Patienten

In der Vergangenheit stand der Patient oftmals als dritter Akteur zwischen der leistungserbringenden Organisation (klinisches Personal) und dem Kostenträger (Krankenkasse). Durch den technischen Fortschritt ist es dem Patienten zunehmend möglich, aktiv in den Prozess der Leistungserbringung eingebunden zu werden („Patient Empowerment“). Den Ergebnissen aus dem „2021 Healthcare CEO Future Pulse“ zufolge trauen jedoch nur 56 Prozent der befragten CEO aus dem Healthcare Bereich ihren Patienten das Selbstmanagement ihrer Gesundheit zu. Ein Beispiel zur besseren Einbindung der Patienten aus Deutschland sind sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen, die als Ergänzung zur medizinischen und präventiven Versorgung zur Anwendung kommen. Diese können seit dem Inkrafttreten des ­Digitale-Versorgung-Gesetzes durch Ärzte verordnet werden, die Kosten übernehmen die Krankenkassen. Spezielle Apps ermöglichen Patienten mit chronischen Erkrankungen wie zB Diabetes, die erhobenen Daten an ihre behandelnden Ärzte zu übermitteln. Dadurch wird die Kontrolle klinischer Parameter (zB Blutzuckerwerte) erleichtert, die Therapie kann individuell an die Bedürfnisse angepasst werden und der Patient wird mit einer persönlichen „Digitalen Assistenz“ in einer selbstbestimmten und gesundheitsförderlichen Lebensführung begleitet. Die Verwendung von digitalen Assistenzsystemen kann mit verringerten Kontrollterminen einhergehen, womit eine hochqualitative medizinische Versorgung auch in Gebieten mit geringer Dichte an Ärzten gewährleistet werden kann. Zudem kann durch den Einsatz digitaler Anwendungen der Aufwand auf Seite des klinischen Personals reduziert werden, da administrative Aufgaben durch die Patienten selbst erledigt werden („Patient Engagement“). Online-Portale ermöglichen Patienten, Termine für Untersuchungen jederzeit zu reservieren oder selbstständig persönliche Daten und Informationen vor einer anstehenden Untersuchung auszufüllen. Bestimmte Anteile der Kommunikation können zukünftig sogar über Chat-Bots erfolgen. Das wird vor allem im Bereich der Pflege zu einer nachhaltigen Arbeitsentlastung führen, da ein Teil der persönlichen Kommunikation durch automatisierte Dialogsysteme ersetzt werden kann.

Die digitale Transformation des öffentlichen Gesundheitswesens fordert Mut und Innovation. Dazu braucht es rechtliche Rahmenbedingungen und signifikante finanzielle Anreize für alle Beteiligten, um eine vernetzte und intelligente Versorgung der Patienten in Zukunft sicherzustellen.

1 OECD/European Union (2020), Health at a Glance: Europe 2020: State of Health in the EU Cycle, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/82129230-en
2 Gesundheitsausgaben in Österreich laut System of Health Accounts (SHA) – Schnellschätzung 2020, in Mio EUR; abrufbar unter: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/gesundheitsausgaben/index.html
3 Gesundheitsausgaben inkl Ausgaben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
4 McKinsey & Company (2021), Digitalisierung im Gesundheitswesen – die 4,7-Milliarden-Euro-Chance für Österreich, McKinsey Digital