Im IFRS-Konzernabschluss wird sich durch IFRS 17 vieles ändern. Welche alten und neuen Kennzahlen erwarten den Bilanzleser? In welchen Bereichen wird es zu einer neuen Parametrisierung kommen? Diese und weitere Fragen behandelt der folgende Beitrag. Offen bleibt jedoch die Frage, ob mehr Kennzahlen auch tatsächlich für mehr Transparenz sorgen.
Die Combined Ratio ist in der Sachversicherung seit Jahrzehnten der Inbegriff des Profitabilitätsmaßes für das Kerngeschäft. Die Summe aus Schaden- und Kostensatz zeigt vor und nach Rückversicherung, ob ein Versicherungsunternehmen aus dem Kerngeschäft Gewinne erzielen kann. Die „echte“ Wahrheit zeigt die „Netto Combined Ratio“, also die Combined Ratio nach Rückversicherungsabgaben.
Bewährtes erweitern
Die Bedeutung der Combined Ratio wird nach Einführung von IFRS vermutlich weiter zunehmen. Bisher hatte diese Kennzahl vor allem in der Sachversicherung Bedeutung. In der Kranken- und Lebensversicherung fehlt bei der Combined Ratio das Element der Veränderung der Deckungsrückstellung. In unseren KPMG Analysen haben wir daher in diesen beiden Geschäftsbereichen die Kennzahl des Belastungssatzes verwendet: Dabei wird im Zähler die Veränderung der Deckungsrückstellung berücksichtigt und gleichzeitig eine Bereinigung um die rechnungsmäßige Verzinsung der Deckungsrückstellung vorgenommen. Da jedoch die rechnungsmäßige Verzinsung weder im Jahresabschluss noch im Lagebericht zu veröffentlichen ist, kann diese Bereinigung nur bei „Insiderwissen“ vorgenommen werden. Daher kommt diese Kennzahl nur selten zum Einsatz.
Nach IFRS 17 werden jedoch im versicherungstechnischen Ergebnis keine Sparkomponenten („Investment Components“) enthalten sein. Außerdem wird die Zinstangente aus der Aufzinsung der versicherungstechnischen Rückstellung sowie aus der jährlichen Anpassung des Zinsniveaus im Finanzergebnis (letztere bei Ausnutzung des einschlägigen Wahlrechtes auch im OCI) ausgewiesen. Damit wird die Combined Ratio in Zukunft in allen Versicherungssparten Relevanz haben.
Neue Fragestellung
Nicht unspannend wird die Frage der Behandlung der Rückversicherung sein. Nach IFRS 17 ist das Rückversicherungsergebnis in einer Zeile zu zeigen. Die Granularität des Ergebnisses wird sich dabei an der Segmentberichterstattung des Konzerns orientieren. Da das Rückversicherungsergebnis im Abschluss aber saldiert gezeigt wird, könnte es sein, dass in Zukunft das Rückversicherungsergebnis wie die Schäden und Kosten in der Combined Ratio im Zähler berücksichtigt werden. In einer langfristigen Betrachtung macht das sicher Sinn: Denn Rückversicherung wird langfristig (bei positivem Grundgeschäft) immer ein Kostenfaktor sein und de facto eine Art externalisierte Risikomarge darstellen.
Kosten im Abschluss
IFRS 17 definiert nicht, wie Personal- und Sachkosten zu bilanzieren sind. Das machen andere Standards wie der IAS 19 (Employee Benefits) oder IAS 16 (Sachanlagevermögen). IFRS 17 regelt aber, wie die Personal- und Sachkosten in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen sind. Neu ist nunmehr, dass nur direkt dem Versicherungsbetrieb bzw eigentlich der Gestionierung der Versicherungsverträge zuordenbare Kosten als Insurance Service Expenses im versicherungstechnischen Ergebnis ausgewiesen werden dürfen. Die im IFRS 17 enthaltenen Bestimmungen könnten (trotz des Umfangs des Standards) deutlicher geregelt sein. Derzeit ist aber davon auszugehen, dass zehn bis 20 Prozent der Gesamtkosten nicht direkt zugeordnet werden können. Am ehesten vergleichbar ist die Vorgehensweise mit der Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung von Industrieunternehmen nach dem Umsatzkostenverfahren: Dort wird wie in einem Betriebsabrechnungsbogen zwischen Herstellungskosten, Vertriebskosten und (allgemeinen) Verwaltungskosten unterschieden.
Somit wird einerseits das allgemeine Niveau der Combined Ratios in der Sachversicherung etwas niedriger werden, andererseits wird es auch eine „allgemeine“ Verwaltungskostenquote geben, anhand derer sich die IFRS 17 Anwender in Zukunft benchmarken müssen.
Neues Analyseelement
Die Contractual Service Margin (CSM) stellt zum jeweiligen Stichtag den Barwert der aus den Verträgen in Zukunft erwarteten Gewinne dar. Somit demonstriert die als Teil der versicherungstechnischen Verbindlichkeiten bilanzierte CSM einen Teil des zukünftigen Gewinnpotenzials. Nur für jene Verträge, die nach dem Premium Allocation Approach (PAA) bilanziert werden, ist weiter nur die Combined Ratio Basis für die Analyse des zukünftigen Gewinnpotenzials anzuwenden.
Bei den anderen Bewertungsmodellen kann zusätzlich zur Combined Ratio zur Analyse des Ergebnisses des aktuellen Jahres die CSM zur Analyse der zukünftigen Profitabilität des Versicherungsunternehmens herangezogen werden.
Interessant ist ein relativer Vergleich der CSM zum Barwert des versicherungstechnischen Cashflow. Die Nachhaltigkeit des Ergebnisses lässt sich durch das Verhältnis der im jeweiligen Geschäftsjahr aufgelösten CSM zum Stand am Jahresanfang ermitteln. Im Ergebnis erhält man eine Art von durchschnittlicher (erwarteter) restlicher Vertragslaufzeit des Bestandes.
Sehr interessant ist auch das Verhältnis der im Geschäftsjahr aufgelösten CSM zur neugebildeten CSM. Diese Kennzahl gibt einen Hinweis auf die Nachhaltigkeit des Ergebnisses und ist vor allem in einem langfristigen Kontext zu sehen.
Die Qualität der Best Estimate-Annahmen lässt sich durch zweierlei Verhältnisse ermitteln: In Bezug auf das aktuelle Geschäftsjahr kann man die im Versicherungsumsatz enthaltenen für das Jahr erwarteten Leistungen und Kosten mit den tatsächlich angefallenen Leistungen und Kosten vergleichen. Erwartungswertänderungen in Bezug auf den zukünftigen Cashflow werden zwischen dem Barwert des zukünftigen Cashflow und der CSM umgebucht. Die jährliche Umbuchung gibt einen Hinweis darauf, ob man mit der Vorjahresschätzung zu optimistisch oder zu vorsichtig war.
Neu interpretiert
Das Finanzergebnis erhält durch IFRS 17 eine neue Komponente: Die Verzinsung der versicherungstechnischen Verbindlichkeiten ist zu separieren und im Finanzergebnis auszuweisen. Wenn das bilanzierende Versicherungsunternehmen eine der beiden OCI-Optionen in Anspruch nimmt, ist im Insurance Finance Expense nur der Zinsaufwand eines Jahres enthalten. Allerdings entspricht dieser Zinsaufwand nicht dem ursprünglich kalkulatorischen Zinsaufwand, sondern dem aktuellen Zinsniveau bzw bei jenem Teil des Geschäfts, das mit dem Variable Fee Approach bewertet wird, der Veränderung des Zeitwerts des Underlying Items. Insofern wird vermutlich das Zinsergebnis vor allem als „Zusatzmarge“ zum versicherungstechnischen Ergebnis zu sehen sein.
Mehr Transparenz?
Ob es durch diese zusätzlichen Kennzahlen tatsächlich zu wesentlich mehr Transparenz im Rechenwerk von Versicherungen kommen wird, wird sich in den nächsten Jahren weisen. Insbesondere die Auswirkung des Umstellungseffektes wird dies weiter wesentlich beeinflussen.