Über 60 Prozent der Versicherungsvermittler sind älter als 50 Jahre und suchen bei erheblichem Nachwuchsmangel einen Nachfolger. Aus dieser Situation ergeben sich beachtliche Wachstumsmöglichkeiten für andere Marktteilnehmer. Beim Erwerb von Maklerunternehmen sind jedoch besondere rechtliche und operative Herausforderungen zu beachten, um eine erfolgreiche Nachfolge zu ermöglichen.
Wirft man einen Blick auf die Versicherungsvermittler-Struktur in Österreich wird schnell ersichtlich, dass die Versicherungsbranche vor einem nicht zu unterschätzenden Problem steht. Über 60 Prozent der Versicherungsvermittler sind älter als 50 Jahre und rund 40 Prozent der Kundenbestände sind überfällig und suchen einen Nachfolger.
Branche in Bewegung
Aus den genannten Tatsachen ergeben sich sowohl Risiken als auch Chancen für die österreichischen Versicherungen:
- Risiko „Fehlende Betreuung“: Anstehende Pensionswelle und Nachwuchsmangel hinterlassen Bestandskunden ohne Betreuung
- Risiko „Kundenunzufriedenheit“: Längerfristiger Betreuungsausfall führt zu einer steigenden Wahrscheinlichkeit unzufriedener Kunden
- Risiko „Kundenverlust“: Gefahr der Abwerbung von Kunden durch konkurrierende Versicherungsunternehmen
- Chance „Neukundengewinnung“: Akquirierung von Kunden mit Produkten ausschließlich bei anderen Versicherungen
- Chance „Bestandserweiterung“: Ausweiten des Versicherungsumfangs eines bestehenden Kunden bis hin zum Vollkunden
- Chance „Markt- und Produkterschließung“: Ausbau in anvisierten Zielregionen und Setzen von neuen Schwerpunkten im Produktportfolio
Der Weg zum Wachstum
Aktives Nachfolgemanagement verhindert, Kunden durch Untätigkeit zu verlieren. Gleichzeitig kann das aber auch zur Steigerung des Prämienvolumens führen, wie folgendes Rechenbeispiel verdeutlicht (Abbildung): Ausgehend von EUR 12,6 Mrd Prämienvolumen am österreichischen Versicherungsmarkt (2020, exkl Leben) und der „Musterversicherung“ mit 20 Prozent Marktanteil bleiben beim Mitbewerb EUR 10,1 Mrd Prämien. Konservativ geschätzt werden 30 Prozent dieser Prämien (also EUR 3,0 Mrd) durch Makler und Mehrfachagenten erwirtschaftet. Davon werden 60 Prozent von über Fünfzigjährigen betreut und 35 Prozent sind übergabereif – was zu EUR 0,6 Mrd führt. Bei einer Annahme von 90 Prozent ohne aktivem Nachfolgemanagement und 50 Prozent Umdeckungswahrscheinlichkeit, ergibt sich ein Umdeckungspotenzial von EUR 0,3 Mrd. Davon ausgehend errechnet sich bei 20 Prozent Marktanteil ein potenzielles zusätzliches Prämienvolumen von etwa EUR 57 Mio für die „Musterversicherung“.
Unter die Lupe genommen
Eine fundierte Markt- und Bestandsanalyse ist entscheidend: Sie ist kritisch zur Hebung dieses Potenzials und für die erfolgreiche Übertragung von Fremdbeständen (dh externen Maklerportfolios) in den Eigenbestand des Versicherers. Mithilfe definierter Kriterien (zB Regionalität, Fit Produktportfolio, Laufzeiten, Schadensquoten) werden potenzielle Kundenbestände vorselektiert. In weiterer Folge werden sie im Rahmen einer rechtlichen, finanziellen, wirtschaftlichen und steuerlichen Due Diligence analysiert, bevor die Kalkulation eines angemessenen Kaufpreises sowie Verhandlungen erfolgen. Die detaillierte Vorgehensweise hängt jedoch stark von der Rechtsform des Versicherungsvermittlers ab.
Die rechtlichen Details
Versicherungsmaklern stehen verschiedene Rechtsformen zur Verfügung. In der Praxis betreiben sie ihre Unternehmen als Einzelunternehmer, Personengesellschaft (zB GmbH & Co KG) oder auch als Kapitalgesellschaft (GmbH). Möchte ein Makler sein Unternehmen verkaufen, so kann grundsätzlich zwischen Asset Deals und Share Deals gewählt werden.
Beim Asset Deal verkauft der Makler sein Unternehmen, also die Summe aller unternehmenszugehörigen Vermögensgegenstände und Rechtsverhältnisse. Aus Sicht der Vertragspartner – besonders Versicherungsunternehmen und Kunden – kommt es zu einem Wechsel des Vertragspartners, was deren Zustimmung notwendig macht. Das Unternehmensgesetzbuch sieht aber für den Fall des Unternehmensübergangs gewisse Erleichterungen vor: So gilt die Zustimmung von all jenen (verständigten) Vertragspartnern als erteilt, die dem Vertragsübergang nicht binnen der gesetzlichen Frist von zwei Monaten widersprechen. Im Gegensatz dazu bleibt beim Share Deal der Vertragspartner von Versicherungsunternehmen und Kunden unverändert die Maklergesellschaft, es ändern sich lediglich die Beteiligungsverhältnisse der Maklergesellschaft. In weiterer Folge können die Anteile an der erworbenen Maklergesellschaft auf den Käufer als Gesellschafter verschmolzen werden. So wird aus zwei Gesellschaften eine Gesellschaft und sämtliche Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Zielgesellschaft gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den vormaligen Käufer über. Da beim Share Deal jedoch Gesellschaftsanteile Gegenstand des Kaufvertrages sind, steht diese Gestaltungsmöglichkeit nur zur Verfügung, wenn das Unternehmen von einer Gesellschaft – sei es eine Personen- oder Kapitalgesellschaft – betrieben wird.
Abbildung: Durch aktives Nachfolgemanagement zum Pramienwachstum
Quellen: Versicherungsverband Österreich; Marktbeobachtung auf Basis KPMG Versicherungsvertriebsstudie; ÖVM - Österreichischer Versicherungsmaklerring; KMU Forschung Austria; Versicherungsjournal Deutschland
Im Dienst des Kunden
Nach Übergang der Kundenbeziehungen auf den Käufer tritt dieser als Makler in die Fußstapfen des Verkäufers und hat die Maklerpflichten gegenüber seinen Kunden zu erfüllen. Dementsprechend muss der Käufer über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügen und seine aus der IDD entspringenden Verpflichtungen gegenüber den Kunden erfüllen. Insbesondere hat er sicherzustellen, dass er im Rahmen von Beratungsleistungen im besten Interesse des Kunden handelt und allfällige Interessenskonflikte – insbesondere solche aufgrund einer möglichen Zugehörigkeit zur Gruppe eines Versicherungsunternehmens – hintangehalten werden.
Geänderte Ansprüche
Zu einem Maklerunternehmen gehören nicht nur Maklervollmachten und Kundenbeziehungen, sondern auch Courtagevereinbarungen mit Versicherungsunternehmen und daraus entspringende Provisionsansprüche. Die Rechtsposition des Maklers unter den Courtagevereinbarungen geht im Rahmen des Unternehmenskaufes auf den Käufer über, jedoch können Courtagevereinbarungen für solche „Kontrollwechsel“ ein Sonderkündigungsrecht des Vertragspartners vorsehen.
Im Fall eines Asset Deals wird das Maklerunternehmen samt Courtagevereinbarungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen. Aus Sicht von Versicherungsunternehmen ändert sich dadurch der Vertragspartner in Bezug auf bestehende Courtagevereinbarungen. Daher können Versicherungsunternehmen der Übertragung grundsätzlich widersprechen, sodass die Vertragsbeziehung mit dem verkaufenden Makler aufrecht bleibt.
Besteht bei einem Share Deal ein Sonderkündigungsrecht oder widerspricht eine Versicherung der Übertragung der Courtagevereinbarung im Wege eines Asset Deals, tritt Folgendes ein: Ein Makler kann die Provisionsansprüche aus der Courtagevereinbarung grundsätzlich auch ohne Zustimmung der Versicherung an einen Käufer abtreten, ohne dass es aus Sicht der Versicherung zu einer Änderung des Vertragspartners kommt. Im Gegenzug für die Übertragung sämtlicher Provisionsansprüche kann dem Verkäufer eine Einmalzahlung gewährt werden, die er als Startkapital für das nächste Kapitel seines Werdegangs nutzen kann.