Tax News: Missbrauch bei fremdfinanziertem Beteiligungserwerb im Konzern
Beteiligungserwerb
Mit dem Erkenntnis vom 05.06.2018, RV/7100118/2012 versagte das Bundesfinanzgericht (BFG) den Zinsabzug bei einem Beteiligungserwerb im Konzern, der von einer irischen Gesellschaft finanziert wurde. Dass der Zinsabzug bei konzerninternen Erwerben erst Jahre später gesetzlich eingeschränkt wurde (nunmehr § 12 Abs 1 Z 9 KStG), schloss für das Gericht die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsbestimmung nach § 22 BAO nicht aus. Vor allem bei konzerninternen Gestaltungen und Umstrukturierungen, die zu einem Steuervorteil führen, sollte daher auf das mit dem Jahressteuergesetz 2018 reformierte Missbrauchsverbot nach § 22 BAO geachtet werden. Dabei sind insbesondere Ziel und Zweck des geltenden Steuerrechts sowie gewichtige außersteuerliche Gründe zu würdigen.
Sachverhalt
Am 24.11.2003 verkaufte augenscheinlich Time Warner, ein internationales Medienunternehmen mit Hauptsitz in den USA, die Musiksparte „Warner Music“ an eine Investorengruppe um USD 2,6 Milliarden. Im Zuge dessen wurde der erworbene Konzern neu strukturiert. So wurde zwischen die österreichischen operativen Gesellschaften und deren ausländischen Gesellschafter eine Holding-Struktur eingezogen, indem die österreichischen operativen Gesellschaften um insgesamt rund EUR 61 Millionen an eine österreichische Holding-Gesellschaft, die Beschwerdeführerin (Bf), verkauft wurden. Diesen Kaufpreis finanzierte die Bf einerseits durch Gewinnausschüttungen der erworbenen operativen Gesellschaften von rund EUR 35 Millionen und andererseits durch einen Eigenkapitalzuschuss von EUR 6,5 Millionen, indem die Verkäuferin auf die offene Kaufpreisforderung teilweise verzichtete; der dann noch offene Kaufpreis wurde durch ein Darlehen von rund EUR 19,5 Millionen beglichen, das von der Bf bei einer neu eingerichteten irischen Konzernfinanzierungsgesellschaft aufgenommen wurde. Jene Gewinnausschüttungen von rund EUR 35 Millionen, die der Kaufpreistilgung gedient haben, wurden von den operativen Gesellschaften jedoch nicht an die Bf oder die Verkäuferin, sondern an die irische Konzernfinanzierungsgesellschaft ausgezahlt. 2006 bildete die Bf als Gruppenträgerin eine Unternehmensgruppe nach § 9 KStG, um die Zinszahlungen an die irische Finanzierungsgesellschaft für das Darlehen von rund EUR 19,5 Millionen mit den Gewinnen der operativen Gesellschaften verrechnen zu können.
Rechtslage
Zinsen für einen fremdfinanzierten Beteiligungserwerb stehen vorrangig in Zusammenhang mit steuerfreien Dividenden, sodass ein Abzug dieser Zinsen grundsätzlich erst bei einer steuerpflichtigen Veräußerung der Beteiligung denkbar ist. Mit dem Steuerreformgesetz 2005 wurde jedoch vorgesehen, dass bei Fremdfinanzierung von zum Betriebsvermögen gehörenden Kapitalbeteiligungen, trotz der Steuerneutralität der laufenden Beteiligungserträge (Dividenden), die Finanzierungskosten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können (§ 11 Abs 1 Z 4 KStG).
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde der Zinsabzug wieder eingeschränkt, da die Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen laut den Materialien zu unerwünschten Gestaltungen geführt hat. Wurden Beteiligungsanschaffungen im Konzern fremdfinanziert, sollten daher die Zinsen nicht mehr abzugsfähig sein, um eine künstliche Erzeugung von abzugsfähigem Finanzierungsaufwand zu verhindern. Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob auch vor der besagten Einschränkung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 der Zinsabzug bei konzerninternen Beteiligungserwerben aufgrund der allgemeinen Missbrauchsbestimmung in § 22 BAO versagt werden kann.
BFG-Erkenntnis
In der Entscheidung vom 05.06.2018, RV/7100118/2012, geht das BFG von Missbrauch nach § 22 BAO aus und versagt daher den Zinsabzug. Im Wesentlichen stützt sich das BFG auf die Ungewöhnlichkeit zahlreicher Vorgänge sowie auf das Fehlen von beachtlichen außersteuerlichen Gründen. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Struktur bereits mit Blick auf den ab 2005 möglichen Zinsabzug bei fremdfinanzierten Beteiligungserwerben umgesetzt wurde, gleichzeitig das Steuerreformgesetz 2005 aber nicht das Ziel verfolgte, den Abzug für konzernintern „generierte“ Zinsen zuzulassen.
Überraschend ist, dass sich das BFG hinsichtlich der Ungewöhnlichkeit vor allem auf Sachverhaltselemente stützt, die bei einer systematischeren Durchführung der Umstrukturierung nicht zwingend vorgelegen wären, ohne am wohl gewünschten steuerlichen Ergebnis etwas zu ändern. So wurden zB Verfügungen über noch nicht verfügbare Gewinnausschüttungen getroffen, die Auszahlungen der Gewinnausschüttungen von rund EUR 35 Millionen erfolgten direkt an die irische Finanzierungsgesellschaft statt (wie angewiesen) zunächst an die Bf und dann an die Verkäuferin der operativen Ge-sellschaften, die Bf hatte auf die Ermittlung des fremdüblichen Kaufpreises keinen Einfluss, und die Darlehensbedingungen wurden erst festgelegt, nachdem die Bf das Darlehensangebot der irischen Finanzierungsgesellschaft angenommen hatte. Auch wendet das BFG den Fremdvergleich für Zwecke seiner Missbrauchsüberlegungen an, wobei unklar bleibt, warum gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge, die dem Fremdvergleich naturgemäß nicht standhalten, für sich allein auf Missbrauch hindeuten sollen.
Es bleibt folglich offen, ob das BFG Missbrauch nach § 22 BAO aufgrund von „ungewöhnlichen Vorgängen“ auch dann angenommen hätte, wenn alle Vorgänge zweifellos fremdüblich ausgestaltet worden wären. Denn dann hätte das BFG die ge-samte Struktur an sich (statt einzelne Vorgänge im Detail) als ungewöhnlich oder unangemessen beurteilen müssen, um Missbrauch annehmen zu können. Implizit dürfte das BFG dies auch gemacht haben, weil es die Steuerersparnis als einzigen Zweck der Umstrukturierung sieht und dies ungewöhnlich und unangemessen sei. Dem Steuerreformgesetz 2005 selbst ist aber eine Unterscheidung zwischen „unangemessenen“ konzerninternen Beteiligungserwerben und anderen „angemessenen“ Beteiligungserwerben kaum zu entnehmen, sodass sich das BFG auf sehr allgemeine Aussagen zum Wirtschaftsstandort und zur Eigenkapitalquote beziehen musste.
Jahressteuergesetz 2018
Mit dem Jahressteuergesetz 2018 wurde § 22 BAO geändert, um den Vorgaben der EU-Anti-BEPS-Richtlinie (ATAD) zu entsprechen. Die ab 01.01.2019 anwendbare Missbrauchsdefinition besagt, dass Missbrauch vorliegt, wenn eine rechtliche Gestaltung oder eine Abfolge rechtlicher Gestaltungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung unangemessen ist. Unangemessen sind solche Gestaltungen, die unter Außerachtlassung der damit verbundenen Steuerersparnis nicht mehr sinnvoll erscheinen, weil der wesentliche Zweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuerrechts zuwider-läuft. Auf eine vermeintliche „Ungewöhnlichkeit“ von einzelnen Vorgängen kommt es daher nicht mehr an. Sobald jedoch – wie wohl auch im vom BFG entschiedenen Fall – zumindest einer der we-sentlichen Zwecke einer Gestaltung in einem steuerlichen Vorteil liegt, stellt sich die Frage, ob dieser steuerliche Vorteil mit dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuerrechts vereinbar ist; ein vermeintlich klarer Wortlaut einer steuerlichen Bestimmung ist dabei nur ein Anhaltspunkt.
Bei Vorliegen von triftigen wirtschaftlichen Gründen, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln, liegt kein Missbrauch vor. Dem BFG folgend würde aber allein das formale Einbetten einer Umstrukturierung in eine größere Strukturreform kein solcher triftiger wirtschaftlicher Grund sein.
Auswirkungen auf die Praxis
Für die Praxis zeigt das BFG-Erkenntnis auf, dass auch dann, wenn spezielle Missbrauchsbestimmungen vorliegen oder erst später eingeführt wer-den, die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsbestimmung nicht ausgeschlossen werden kann. Zwar sollte die Neudefinition von „Missbrauch“ in § 22 BAO nichts an der Möglichkeit ändern, eine Konzernstruktur steueroptimal auszugestalten.
Doch Transaktionen und Umstrukturierungen, die zu einem bedeutenden steuerlichen Vorteil führen, sollten auf Ziel und Zweck der österreichischen Steuervorschriften besondere Rücksicht nehmen oder im Zweifelsfall als „Mitnahmeeffekt“ von triftigen außersteuerlichen Gründen verwirklicht werden.