Tax News: VwGH zur Akteneinsicht: Kein Recht auf Einsicht in interne Kommunikation der Behörde

Akteneinsicht

Eine gesicherte Sachverhaltskenntnis ist für den Erfolg eines Abgabenverfahrens von entscheidender Bedeutung. In der Praxis kann die Vornahme einer Akteneinsicht bei der Abgabenbehörde Teil einer zielgerichteten Sachverhaltserhebung durch den Abgabepflichtigen sein. In seiner jüngsten Rsp stellt der VwGH klar, dass die interne Kommunikation und internen Arbeitspapiere der Behörde von der Akteneinsicht per se ausgenommen sind. Die Akteneinsicht in diese Dokumente ist unabhängig davon zu verweigern, ob durch die Einsichtnahme berechtige Interessen Dritter geschädigt werden könnten oder nicht.

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Für den Inhalt verantwortlich

Stefan Papst

Partner, Tax

KPMG Austria

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1. Ausgangslage

Der Abgabepflichtige wollte eine umfassende Akteneinsicht (§ 90 BAO) vornehmen. Allerdings sind nach § 90 Abs 2 BAO „Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde“, von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Daher waren nach Ansicht der Abgabenbehörde folgende Aktenteile für die Verfahrenspartei nicht einsehbar:

  • E-Mails zwischen Amtsvorstand und Fachvorstand zur Ausarbeitung einer Beschwerdevorentscheidung,
  • E-Mails zwischen Fachvorstand und Betriebsprüfern zur abgabenrechtliche Beurteilung und zur Frage der Verjährung und
  • E-Mails zwischen Amtsvorstand und dem bundesweitem Fachbereich ESt/KöSt sowie dem BMF hinsichtlich der Beschwerdevorentschei-dung.

2. VwGH 29.05.2018, Ro 2017/15/0021

Der VwGH legt in seinem Erkenntnis einleitend die Bedeutung des Rechtes auf Akteneinsicht für den Abgabepflichtigen dar (Rz 17):

  • Das Recht auf Akteneinsicht stellt ein wesentliches prozessuales Recht der Verfahrenspartei dar.
  • Wird die Akteneinsicht verweigert, ist (spätestens) in der Begründung des das Verfahren abschließenden Bescheides darzulegen, welche Aktenteile davon betroffen sind und welche Umstände dies rechtfertigen (VwGH 11.05.2016, 2013/02/0094, mwN). 
  • Eine unbegründete Verweigerung der Akteneinsicht bewirkt idR einen Verfahrensmangel hinsichtlich der Sachentscheidung. Allerdings kann dieser im BFG-Verfahren geheilt werden, indem Akteneinsicht gewährt wird (zB VwGH 19.03.1998, 96/15/0005). 
  • Grundsätzlich steht der Verfahrenspartei das Recht auf Akteneinsicht unabhängig davon zu, ob die Akteneinsicht zur Verteidigung der rechtlichen Interessen erforderlich ist oder nicht (Rz 24 f; VwGH 30.03.1998, 97/16/0471, zum AVG). Es ist NICHT entscheidend, zu welchem Zweck die Akteneinsicht begehrt wird (Rz 27; VwGH 22.10.2013, 2012/10/0002, zum AVG). 
  • Die Akteneinsicht darf ausschließlich auf Basis von § 90 Abs 2 BAO eingeschränkt werden (Rz 26). 

Im entschiedenen Fall war fraglich, ob eine Einschränkung der Akteneinsicht NUR dann zulässig ist, wenn ohne die Einschränkung eine „Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen“ zu befürchten wäre. Der VwGH stellt klar, dass die interne Kommunikation der Behörde in Form von Beratungsprotokollen, Amtsvorträgen oder Erledi-gungsentwürfen stets von der Akteneinsicht auszunehmen ist. Damit ist im Falle dieser Dokumente eine mögliche „Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen“ für die Zulässigkeit der Einschränkung nicht notwendig (Rz 32; anders noch BMF 05.11.2003, 05 0701/1-IV/5/03, Pkt 5). Nur im Falle der im Gesetz genannten „sonstigen Schrift-stücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen)“ setzt die zulässige Einschränkung der Akteneinsicht eine mögliche Schädigung berechtigter Interessen Dritter voraus (Rz 32; VwGH 25.06.1992, 91/16/0057). Mit Verweis auf den Beschluss des VfGH vom 14. Dezember 2007, V 16/07, sieht der VwGH die einfachgesetzliche Regelung des § 90 Abs 2 BAO als verfassungsrechtlich nicht bedenklich an.

Zusätzlich führt der VwGH aus, dass diese Überlegungen auch dann gelten, wenn eine Entscheidung lediglich durch einen einzelnen Organwalter (monokratisch) zu treffen ist: Damit sind auch interne Erwägungen eines einzelnen Finanzbeamten von der Akteneinsicht ausgeschlossen, weil auch in diesem Fall die Behörde die Möglichkeit haben muss, gegenteilige Ansichten intern abzuwägen und mehrere Varianten einer möglichen Entscheidung zu prüfen, ohne dabei einer Beeinflussung durch die Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein (Rz 42).

3. Ergebnis

Beratungsprotokolle, Amtsvorträge oder Erledigungsentwürfe der Abgabenbehörde sind in jedem Fall von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Dazu zählen nach der jüngsten Rsp des VwGH sowohl der Emailverkehr innerhalb des Finanzamtes als auch der E-Mailverkehr des Finanzamtes mit den Betriebsprüfern oder mit dem BMF. Dagegen sind sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen) von der Akteneinsicht nur ausgeschlossen, wenn es mit der Einsichtnahme zu einer Schädigung berechtigter Interessen Dritter kommen würde. Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn schlussendlich nur ein einzelner Finanzbeamter die Entscheidung für die Abgabenbehörde zu treffen hat.

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