Tax News: EU: Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle
Steuergestaltungsmodelle
Mit der mit 25. Juni 2018 in Kraft tretenden Änderung der EU-Amtshilfe-RL wird eine Offenlegungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle eingeführt, die die Verhinderung aggressiver grenzüberschreitender Steuermodelle beabsichtigt. Die Meldung hat an die zuständige Steuerbehörde zu erfolgen, die die offengelegten Informationen automatisch mit allen anderen Mitgliedsstaaten teilt.
In Anlehnung an den Aktionspunkt 12 des OECD-BEPS-Projekts hat die EU bereits im Juni 2017 einen Richtlinienvorschlag zur Offenlegungspflicht von potentiell aggressiven Steuerplanungsmodellen vorgelegt. Am 25.05.2018 wurde die Richtlinie zum „verpflichtenden Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen“ durch den ECOFIN Rat beschlossen und am 5. Juni 2018 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Technisch zielt der Richtlinienbeschluss auf eine Änderung der EU-Amtshilfe-Richtlinie (Richtlinie 2011/16/EU – „DAC 6“) ab. Die wichtigsten Eckpunkte dieser Änderung sollen nachfolgend im Überblick dargestellt werden.
1. Grundsätzliches
Ziel der Richtlinie ist das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch Verhinderung der Anwendung „aggressiver grenzüberschreitender Steuerplanungsmodelle“. Dieser Begriff wird nicht eigens definiert. Stattdessen werden derartige Modelle durch eine Liste von Merkmalen („Kennzeichen“ bzw „hallmarks“) erfasst, die stark auf Steuervermeidung oder Steuermissbrauch hindeuten. Die gemeinsame Melderegelung wird auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt, dh Sachverhalte, an denen entweder mehr als ein Mitgliedstaat oder ein Mitgliedsstaat und ein Drittland beteiligt sind. Die EU-Amtshilfe-Richtlinie (2011/16/EU) erstreckt sich gemäß Art 2 auf alle Arten von direkten Steuern.
2. Meldepflichtige Personen
Meldepflichtig sind „Intermediäre“. Darunter sind natürliche oder juristische Personen zu verstehen, die grenzüberschreitende Modelle konzipieren, vermarkten, organisieren oder zur Umsetzung bereitstellen oder die Umsetzung solcher Gestaltungen verwalten. Grundsätzlich sind davon alle Unternehmen und Professionisten erfasst (zB Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Finanzberater, Banken), die juristische, steuerliche oder beratende Dienstleistungen erbringen. Die Mitgliedstaaten können Befreiungen von dieser Verpflichtung vorsehen, wenn mit der Meldepflicht gegen eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen würde.
Die Meldeverpflichtung geht ansonsten dann auf den Steuerpflichtigen über, wenn der Intermediär
- nicht in der EU niedergelassen ist,
- beruflichen Verschwiegenheitspflichten unterliegt oder
- nicht existiert (wenn bspw das Modell vom Steuerpflichtigen selbst entwickelt wurde).
3. Kennzeichen meldepflichtiger Modelle
Ein grenzüberschreitendes Steuermodell unterliegt dann der Meldepflicht, wenn es mindestens eines der im Anhang der Richtlinie genannten Merkmale erfüllt. Die Kennzeichen sind in fünf Kategorien (A bis E) gegliedert und knüpfen sowohl an äußere Umstände („generic hallmarks“ – Kategorie A), als auch an Inhalte oder Ergebnisse von Gestaltungen an („specific hallmarks“ – Kategorien B bis E). Überdies ist bei Vorhandensein der Merkmale der Kategorien A, B und zT C nur dann Meldepflicht gegeben, wenn sie den „Main benefit“-Test erfüllen. Dieser gilt als erfüllt, wenn die Erlangung eines Steuervorteils als Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung festgestellt werden kann. Nachfolgend einige beispielhafte Kennzeichen aus den einzelnen Kategorien
- Kategorie A – Allgemeine Kennzeichen
- Vereinbarung einer Vertraulichkeitsklausel zur Nicht-Offenlegung gegenüber Steuerbehörden
- Steuervorteilabhängiges Honorar
- Verwendung von Standarddokumentation, die keine individuelle Anpassung erfordert
- Kategorie B – Spezifische Kennzeichen:
- Mantelkauf, dh Erwerb zum Zwecke der Verlustnutzung
- Umwandlung von Einkünften in niedrigbesteuerte Arten von Einkünften
- „Zirkeltransaktionen“
- Kategorie C – Spezifische Kennzeichen iZm grenzüberschreitenden Transaktionen
- Abzugsfähige Zahlungen an niedrig- oder nichtbesteuerte Empfänger
- Mehrfache Abschreibung desselben Vermögenswerts
- Beantragung der Befreiung von Doppelbesteuerung in mehreren Staaten
- Übertragung von Vermögen zur Nutzung von unterschiedlichen Bewertungsvorschriften
- Kategorie D – Spezifische Kennzeichen iZm AIA und wirtschaftliche Eigentümer:
- Gestaltung, die zur Aushöhlung der Meldepflicht zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten führt
- Gestaltung mit einer intransparenten Kette an rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümern
- Kategorie E – Spezifische Kennzeichen iZm Verrechnungspreisgestaltung
- Nutzung unilateraler Safe-Harbor-Regeln
- Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten
- Konzerninterne Funktions- oder Risikoverlagerung und/oder Vermögensübertragung, wenn das erwartete EBIT über einen 3-Jahres-Zeitraum dadurch weniger als 50% des EBIT beträgt, wenn die Übertragung nicht stattgefunden hätte
4. Offenzulegende Informationen
Erfüllt ein grenzüberschreitendes Steuergestaltungsmodell mindestens eines der im Anhang der Richtlinie genannten Merkmale, sind folgende Informationen den Steuerbehörden offenzulegen:
- Angaben zum Intermediär bzw zum Steuerpflichtigen (Name, Steueransässigkeit, SteuerNr.)
- Kennzeichen, die die Meldepflicht ausgelöst haben
- Zusammenfassung über den Inhalt der meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung
- Datum der Ausführung des ersten Umsetzungsschritts des Modells
- Details zu nationalen Vorschriften, auf denen die Meldepflicht beruht
- Wert des meldepflichtigen Steuergestaltung-modells
- Angabe der vom Modell betroffen Mitgliedsstaaten
5. Meldefristen, Sanktionen und Inkrafttreten
Intermediäre müssen meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen innerhalb von 30 Tagen der zuständigen Steuerbehörde bekannt geben. Die Frist beginnt zu laufen (je nachdem, was früher eintritt)
- an dem Tag, nach dem die grenzüberschreitende Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird oder
- an dem Tag, nach dem die grenzüberschreitende Gestaltung umsetzungsbereit ist oder
- sobald der erste Schritt die grenzüberschreitende Gestaltung umgesetzt wurde.
Die Mitgliedsstaaten teilen daraufhin die offengelegten Informationen automatisch über ein Zentralverzeichnis mit allen anderen Mitgliedsstaaten.
Bei Missachtung der Meldepflicht haben die Mitgliedsstaaten entsprechende Vorschriften über Sanktionen zu erlassen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen.
Die Richtlinie ist bis 31.12.2019 in nationales Recht umzusetzen. Die vorgesehenen Vorschriften sind ab dem 01.07.2020 anzuwenden. Wurde der erste Schritt eines meldepflichtigen Steuergestaltungsmodells zwischen dem zeitnah zu erwartenden Inkrafttreten der Richtlinie (am 20. Tag nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU) und Beginn der Anwendung (01.07.2020) umgesetzt, sind die entsprechenden Informationen den Behörden bis zum 31.08.2020 zu melden. Daher sind auch Gestaltungen betroffen, die bereits 2018 begonnen werden (siehe unten).
6. Ausblick
Die weitere Rechtsentwicklung und insbesondere die konkrete Umsetzung in österreichisches Recht bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und der teilweise recht vagen Begriffsbestimmungen der tatsächliche Anwendungsbereich noch offen. Grundsätzlich könnten nicht nur besonders aggressive Steuermodelle, sondern auch übliche Transaktionen unter die Bestimmungen fallen. Daher hegt beispielsweise auch das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) in einem Schreiben an das deutsche BMF bereits erste Zweifel, ob die geplanten Offenlegungspflichten für grenzüberschreitende Steuermodelle den erhofften Nutzen der frühzeitigen Kenntnis über unvorhergesehene Wirkungen von Steuergesetzen mit sich bringen wird. Insbesondere wird in dem Schreiben auch eine eindeutige und in der Praxis anwendbare, zweifelsfreie Festlegung der entsprechenden Begriffe angeregt.
Da die Richtlinie bereits eine Meldepflicht für jene Modelle vorsieht, deren erster Umsetzungsschritt zwischen dem Inkrafttreten (dh 25. Juni 2018) und 01.07.2020 erfolgte, ist auf eine sorgfältige Dokumentation von potentiell meldepflichtigen Steuermodellen zu achten, da damit zu rechnen ist, dass auch bereits in 2018 begonnene Gestaltungen von der Meldepflicht betroffen werden.