Tax News: BFG: Unbilligkeit der Wiederaufnahme bei bereits geprüften Sachverhalten

Geprüfte Sachverhalten

Eine Wiederaufnahme ist ua zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind. Zur Beurteilung des Neuhervorkommens ist nach der ständigen Rsp des VwGH der Wissensstand der Abgabenbehörde im konkreten Verfahren maßgebend. Eine „verfahrensübergreifende Beurteilung“ des Wissensstandes aus anderen Veranlagungsjahren ist demnach nicht geboten. Wurde allerdings ein bestimmter Sachverhalt bereits einer Betriebsprüfung unterzogen und für in Ordnung befunden, ist die Wiederaufnahme nach einer späteren Betriebsprüfung trotz des Neuhervorkommens von Tatsachen im konkreten Verfahren unbillig und damit unzulässig.

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Für den Inhalt verantwortlich

Stefan Papst

Partner, Tax

KPMG Austria

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1. Sachverhalt

Der Betriebsprüfer vertrat die Ansicht, dass einer GmbH aufgrund von inhaltlichen Mängeln des Gesellschaftsvertrages der Gemeinnützigkeitsstatus zu versagen sei und verfügte eine Wiederaufnahme der Veranlagungsjahre 2012 – 2014. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH wurde dem Finanzamt in den Veranlagungsverfahren 2012 – 2014 nicht als Beilage zur jeweiligen Steuererklärung übermittelt, aber dem Betriebsprüfer im Rahmen der Außenprüfung ausgehändigt.

Gegen die Wiederaufnahme brachte die GmbH vor, dass der Abgabenbehörde für jedes Veranlagungsjahr alle relevanten Tatsachen zur Beurteilung der Tätigkeit der GmbH als gemeinnützig bekannt waren: Bereits in den 90er Jahren war ein Spendenbegünstigungsbescheid an die GmbH ergangen, in dem auf den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich Bezug genommen wurde. Die relevanten Passagen des Gesellschaftsvertrages wurden seitdem nicht verändert. Darüber hinaus war der Gemeinnützigkeitsstatus Prüfungsschwerpunkt einer späteren Außenprüfung und wurde von dieser nicht beanstandet. Weitere folgende Außenprüfungen erkannten den Gemeinnützigkeitsstatus ebenso an.

2. BFG Graz 16.03.2018, RV/2101420/2017

Da der Gesellschaftsvertrag der Abgabenbehörde nicht als Beilage zu jeder Jahressteuererklärung mitübermittelt wurde, konnte das Finanzamt nach Ansicht des BFG das (unveränderte) Vorliegen des Gesellschaftsvertrages in den konkreten Veranlagungsverfahren der Jahre 2012 – 2014 lediglich vermuten, nicht jedoch kennen. Das BFG verweist auf die ständige Rsp des VwGH wonach sich das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismit-teln" auf den Wissensstand der Abgabenbehörde des jeweiligen Veranlagungsjahres (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und Beilagen) bezieht und ein bloßes Kennen-Können auch iSe einer allenfalls verschuldeten Unkenntnis der Abgabenbehörde einer amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegensteht (Verweis auf VwGH 26.01.2017, Ra 2016/15/0002 und VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0006).

Daher stellt der im Rahmen der Betriebsprüfung ausgehändigte Gesellschaftsvertrag nach Ansicht des BFG eine neu hervorgekommene Tatsache dar, die eine Wiederaufnahme von Amts wegen dem Grunde nach ermöglicht. Allerdings stellt das BFG unter Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 11.12.1996, 94/13/0070, fest, dass der Umstand einer seinerzeitigen ausdrücklichen Anerkennung eines steuerrelevanten Umstandes bei der Ermessensübung iZm der Wiederaufnahme zu berücksichtigen ist: Wird ein Abgabepflichtiger durch eine abgabenbehördliche Prüfung in seiner abgabenrechtlichen Vorgangsweise bestärkt, dann muss dem Abgabepflichtigen bei gleichbleibender Tätigkeit eine jährlich wiederkehrende Tatsachendarstellung gegenüber der Abgabenbehörde nicht erforderlich erscheinen. Auf Basis dieser Rsp beurteilt das BFG die Wiederaufnahme als unbillig, weil die Abgabenbehörde die Gemeinnützigkeit der GmbH in den vorangegangenen drei Außenprüfungen "für in Ordnung befunden" hatte. Damit ist die Wiederaufnahme unzulässig, obwohl eine neu hervorgekommene Tatsache vorliegt.

3. Ergebnis

Nach der ständigen Rsp des VwGH bezieht sich das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln auf den Wissensstand der Abgabenbehörde insbesondere aufgrund der Abgabenerklärungen und der Beilagen des jeweiligen Veranlagungsjahres. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus Sicht des konkreten Verfahrens und nicht aus Sicht anderer Verfahren zu beurteilen (zB VwGH 20.10.2016, Ro 2014/13/0034; VwGH 27.2.2014, 2011/15/0106; VwGH 26.02.2013, 2009/15/0016; VwGH 24.06.2009, 2007/15/0045 etc).

Das aktuelle Erkenntnis des BFG Graz folgt dieser Rsp des VwGH vollinhaltlich. Auf das „kreative“ Erkenntnis des BFG Salzburg vom 29.03.2017, RV/6100881/2014, wonach auch eine „verfahrensübergreifende Beurteilung“ der Tatsachenkenntnis der Abgabenbehörde möglich sein sollte, nimmt das BFG Graz nicht Bezug (siehe im Detail Tax News 8-9/2017).

Dennoch kommt das BFG zu einem rechtspolitisch und für den Abgabepflichtigen erfreulichen Ergebnis: Mit Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 11.12.1996, 94/13/0070, wird eine Wiederaufnahme von Amts wegen als unbillig und damit unzulässig beurteilt, wenn ein unveränderter Sachverhalt bereits in einer vorhergehenden Betriebsprüfung überprüft und für in Ordnung befunden wurde.

Praxistipp: Um die Wahrscheinlichkeit einer Wiederaufnahme von Amts wegen zu minimieren, müssen bei Abgabe jeder Jahreserklärung wiederholt alle steuerrelevanten Unterlagen als Beilage an die Abgabenbehörde übermittelt werden.

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